(ip/RVR) Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück war Gegenstand eines aktuellen Beschlusses des Bundesgerichtshofs (BGH).

Am 28. November 2008 erwirkte die Gläubigerin beim Amtsgericht (Rechtspfleger) zwei Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse, mit denen der für die Schuldner als Gesamtberechtigte nach § 328 BGB angeblich im Grundbuch eingetragene Nießbrauch an dem im Eigentum der Drittschuldnerinnen stehenden Grundstück gepfändet wurde. Zum Zwecke der Ausübung des Nießbrauchs ordnete das Amtsgericht durch die Gläubigerin gemäß § 857 Abs. 4 ZPO die Verwaltung des Grundstücks an und bestellte hierfür eine Verwalterin. In den Beschlüssen heißt es:
„Die Verwaltung richtet sich nach den Vorschriften für die Zwangsverwaltung gemäß § 146 ff. ZVG. Der Verwalter wird ermächtigt, sich selbst den Besitz des Grundstückes zu verschaffen ...“

Gegen die Beschlüsse legten die Drittschuldnerinnen Erinnerung ein. Zur Begründung machten sie geltend, die formalen Voraussetzungen für die Anordnung der Zwangsverwaltung seinen nicht erfüllt, weil die Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch nicht durch Zeugnis des Grundbuchamtes nachgewiesen worden sei.

Der Rechtspfleger half der Erinnerung nicht ab und legte die Sache dem Richter zur Entscheidung vor. Dieser wies die Erinnerung zurück. Gegen diesen Beschluss legten die Drittschuldnerinnen sofortige Beschwerde ein. Diese wies das Landgericht durch Beschluss vom 18. März 2009 zurück. Dagegen wenden sich die Drittschuldnerinnen mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie weiterhin die Aufhebung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse erstreben.

Der BGH entschied, dass die Ausführungen des Beschwerdegerichts der rechtlichen Nachprüfung standhalten, so dass die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde zulässig ist, in der Sache jedoch keinen Erfolg hat.

Zur Begründung führte der BGH unter anderem aus, dass das gemäß § 857 Abs. 1, § 828 Abs. 1 ZPO zuständige Vollstreckungsgericht bei der Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück gemäß § 857 Abs. 4 Satz 1, 2 ZPO eine Verwaltung des Grundstücks anordnen kann, die an die Vorschriften zur Zwangsvollstreckung in §§ 146 ff. ZVG anzulehnen ist. Gemäß §§ 146, 17 ZVG darf die Zwangsvollstreckung nur angeordnet werden, wenn nachgewiesen wird, dass der Schuldner als Eigentümer des Grundstücks eingetragen oder er Erbe des eingetragenen Eigentümers ist. Diese Anforderung ist vorliegend erfüllt: Die Eintragung des Nießbrauchs wurde durch Vorlage eines Grundbuchauszuges nachgewiesen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde, so der BGH, ist die Vorlage eines vollständigen Grundbuchauszuges nicht erforderlich.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann das Vollstreckungsgericht den Verwalter nach Maßgabe der Regelung in § 150 Abs. 2 ZVG ermächtigen, sich den Besitz des mit dem Nießbrauch belasteten Grundstücks zu verschaffen. Zur Wahrnehmung der dem Nießbrauchsberechtigten zustehenden Nutzungsrechte muss er das Grundstück zweckentsprechend im Sinne der Gläubigerbefriedigung verwalten und nutzen, wozu er den Besitz an dem Grundstück benötigt. Aus diesem Grund setzt die gemäß § 857 Abs. 4 ZPO angeordnete Verwaltung ebenso wie die Zwangsverwaltung nach §§ 146 ff. ZVG unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Schuldners voraus. „Ist der Schuldner allerdings weder unmittelbarer noch mittelbarer Besitzer des Grundstückes und verweigert der Dritte, der den Besitz innehat, die Herausgabe, ist die Zwangsverwaltung rechtlich undurchführbar (BGH, Urteil vom 26. September 1985 – IX ZR 88/84, BGHZ 96, 61, 66 m.w.N.).“ Folglich darf unter diesen Voraussetzungen auch eine Verwaltung nach § 857 Abs. 4 ZPO nicht angeordnet werden.

Das Beschwerdegericht geht von diesen Grundsätzen zutreffend aus. „Soweit es irrtümlich auf den Eigenbesitz des Schuldners, der als Nießbraucher lediglich Fremdbesitz hat, und auf die Besitzverhältnisse der Drittschuldnerinnen abstellt, wirkt sich das nicht zu deren Nachteil aus.“

Die Auslegung der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse durch das Beschwerdegericht dahin, dass die dort enthaltene Ermächtigung zur Inbesitznahme nur für den Besitz der Schuldner gelten soll, begegnet keinen Bedenken.

Darüber hinaus führt das Beschwerdegericht zutreffend aus, dass die Anordnung der Verwaltung nach § 857 Abs. 4 ZPO nicht von der Feststellung abhängt, dass der Schuldner das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück tatsächlich besitzt. Zum einen ist das Zwangsvollstreckungsverfahren grundsätzlich nicht dazu bestimmt, Streitigkeiten über die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Ansprüche auszutragen, zum anderen dient auch das Zwangsverwaltungsverfahren nicht dazu, streitige Rechtsverhältnisse zwischen den Beteiligten aufzuklären. Demzufolge wird die Zwangsverwaltung im Regelfall ohne Prüfung angeordnet, ob der Eigentümer den hierfür erforderlichen Eigenbesitz an dem Grundstück innehat. Dies gilt bei Pfändung eines Nießbrauchsrechts auch für die Anordnung der Verwaltung nach § 857 Abs. 4 ZPO.

Vorliegend steht nicht fest, dass die Schuldner keinen Besitz an dem in Rede stehenden Grundstück haben, so dass die Rüge der Drittschuldnerinnen, das Beschwerdegericht habe rechtsfehlerhafte Feststellungen zu ihren Besitzverhältnissen getroffen, ohne Erfolg bleibt. „Auf diese Feststellungen kommt es für die Entscheidung nicht an, weil die Rechtmäßigkeit der Pfändungsmaßnahme nicht von ihnen abhängt.“

Die Rechtsbeschwerde der Drittschuldnerinnen gegen den Beschluss des Landgerichts Stuttgart wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Der Leitsatz fasst zusammen:
„a) Die für die Zwangsvollstreckung in ein Nießbrauchsrecht an einem Grundstück gemäß § 857 Abs. 4 Satz 1, 2 ZPO vorgesehene Verwaltung des Grundstücks setzt ebenso wie die Zwangsverwaltung nach §§ 146 ff. ZVG den unmittelbaren oder mittelbaren Besitz des Schuldners voraus.“

„b) Die Anordnung der Verwaltung hängt nicht von der Feststellung des Vollstreckungsgerichts ab, dass der Schuldner das mit dem Nießbrauch belastete Grundstück tatsächlich besitzt. Wenn die Eintragung des Nießbrauchs im Grundbuch nachgewiesen ist, ordnet das Vollstreckungsgericht die Verwaltung nach § 857 Abs. 4 ZPO ohne eine Prüfung an, ob der Schuldner den Besitz an dem Grundstück innehat. Etwas anderes gilt dann, wenn dem Vollstreckungsgericht bekannt ist, dass der Schuldner keinen Besitz hat.“

BGH vom 09.12.2010, Az.: VII ZB 67/09


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