(ip/RVR) Der Bundesgerichtshof befasste sich aktuell mit der Frage über die Zulässigkeit der Aufrechnung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Schiedsspruchs und über die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte für eine Vollstreckungsabwehrklage.

Am 20. Juni 2005 schloss die Antragstellerin als Verkäuferin mit der Antragsgegnerin als Käuferin einen Vertrag über die Lieferung von Zucker. Die Vertragsvereinbarung enthielt eine Schiedsklausel, nach der „alle aus diesem Kontrakt entstehenden Streitigkeiten“ an den Rat der „Refined Sugar Association of London“ (RSA) zur Schlichtung übergeben werden sollten.

Die Antragstellerin stellte der Antragsgegnerin für Lieferungen im Dezember 2005 97.921,60 Euro in Rechnung. Die Antragsgegnerin erklärte insoweit eine Aufrechnung mit streitigen Schadensersatzforderungen aus drei weiteren Verträgen über zusammen 149.025,60 Euro. Daraufhin erhob die Antragstellerin Schiedsklage bei der RSA.

Durch Schiedsspruch vom 24. Februar 2009 verurteilte das Schiedsgericht die Antragsgegnerin durch Schiedsspruch zur Zahlung von 97.921,60 Euro nebst Zinsen und Kosten. Die zur Aufrechnung gestellten und zum Gegenstand der Widerklage gemachten Schadensersatzforderungen ließ das Schiedsgericht unberücksichtigt. Dies begründete es damit, dass es insoweit nicht zur Entscheidung befugt sei, da es sich nicht um Ansprüche, die aus bzw. im Zusammenhang mit dem Vertrag vom 20. Juni 2005 entstanden seien.

Die Antragstellerin beantragte vor dem Kammergericht, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.

Die Antragsgegnerin wiederholte ihre Aufrechnung. Die Antragstellerin erhob hierzu unter anderem die Einrede des Schiedsvertrags und machte insoweit die Unzuständigkeit des Kammergerichts zur Entscheidung über die Gegenforderungen geltend. Dem trat die Antragsgegnerin mit der Behauptung entgegen, dass jedenfalls bezüglich der Verträge, aus denen Schadensersatzforderungen über zusammen 130.350 Euro resultierten, keine wirksame Schiedsvereinbarungen bestünden.

Mit Beschluss vom 18. Januar 2010, berichtigt durch Beschluss vom 29. April 2010, erklärte das Kammergericht den Schiedsspruch für vollstreckbar.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass die von Gesetzes wegen statthafte (§ 574 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, § 1025 Abs. 4 ZPO) Rechtsbeschwerde auch im Übrigen zulässig ist, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).

„Wo ein Schiedsgericht sich der Entscheidung über die Aufrechnung enthält, steht nichts im Wege, den Aufrechnungseinwand vor dem ordentlichen Gericht zu wiederholen, gleichviel ob das Schiedsgericht mit Recht oder Unrecht nicht auf die Aufrechnung eingegangen ist (BGH, Urteil vom 22. November 1962 - VII ZR 55/61, BGHZ 38, 259, 264 ff).“

Zuständig für die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs ist das „Prozessgericht des ersten Rechtszugs“, d.h. das Gericht des Vorprozesses erster Instanz, in dem der Vollstreckungstitel geschaffen worden ist. Es ist jedoch zu beachten, dass Vollstreckungstitel bei der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist. Folglich ist das Oberlandesgericht das zuständige Gericht im Sinne des § 767 Abs. 1 ZPO.
Da im vorliegenden Fall das Schiedsgericht sich einer Entscheidung über die Schadensersatzforderungen der Antragsgegnerin enthalten hat, konnte sie deshalb die Aufrechnung im Verfahren der Vollstreckbarerklärung grundsätzlich erneut geltend machen. Es ist allerdings zu beachten, dass die Antragstellerin insoweit die Einrede des Schiedsvertrags erhoben hat. „Beruft sich eine Partei vor dem staatlichen Gericht zu Recht darauf, dass die einer Aufrechnung zugrunde liegende bestrittene Forderung ihrerseits einer Schiedsabrede unterliege, darf die Aufrechnung nicht berücksichtigt werden (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 2008 - III ZR 320/06, NJW-RR 2008, 556 Rn. 10; vom 29. Juli 2010, aaO Rn. 4 m.w.N.).“ Das Kammergericht ist jedoch rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, die streitigen Gegenforderungen seien bereits deshalb als schiedsbefangen zu behandeln, weil das Schiedsgericht die Schiedsbefangenheit in seiner Entscheidung angesprochen habe und dies Bindungswirkung für das anschließende Verfahren vor dem staatlichen Gericht entfalte. Wenn ein Schuldner im Verfahren der Vollstreckbarerklärung den Einwand der Aufrechnung erhebt, muss das Oberlandesgericht diese Einwendung in eigener Zuständigkeit prüfen. „Die Frage, ob das Schiedsgericht seinerseits im Schiedsverfahren die Aufrechnung zu Recht oder zu Unrecht nicht berücksichtigt hat, ist grundsätzlich unerheblich (vgl. BGH, Urteile vom 22. November 1962 und 7. Januar 1965, jeweils aaO; siehe auch Senat, Beschluss vom 29. Juli 2010 aaO Rn. 3).“ Die Annahme des Schiedsgerichts, die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen unterlägen ihren eigenen gesonderten Schiedsvereinbarungen, kann das Oberlandesgericht nicht im späteren Verfahren auf Vollstreckbarerklärung bei der Prüfung der Zulässigkeit des vor ihm geltend gemachten Aufrechnungseinwands binden.

Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben. „Das Kammergericht wird im weiteren Verfahren zu prüfen haben, ob die von der Antragstellerin erhobene Einrede der Schiedsvereinbarung begründet ist und - sofern dies nicht der Fall sein sollte - ob die zur Aufrechnung gestellten Gegenforderungen bestehen.“ Somit ist die Sache zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerderechtszugs, an das Kammergericht zurückzuverweisen.

BGH vom 30.09.2010, Az.: III ZB 57/10


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