Wohnungsgenossenschaftl. Auseinandersetzungsguthaben unterliegt Massebeschlag
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(ip/RVR) Im Insolvenzverfahren soll der Schuldner nicht Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO beanspruchen können, wenn der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft des Schuldners in einer Wohnungsgenossenschaft kündigt, um damit für die Masse das Auseinandersetzungsguthaben zu realisieren, auch dann nicht, wenn der Schuldner das Guthaben als Kaution für die von ihm bewohnte Wohnung benötigt. So der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 02.12.2010.
Der bestellte Treuhänder kündigte die Genossenschaftsanteile der Insolvenzschuldnerin bei einer Wohnungsgenossenschaft. Letztere kündigte daraufhin die von der Schuldnerin genutzte Wohnung, bot ihr aber den Abschluss eines Mietvertrages an. Für die Mietkaution musste die Schuldnerin ein Darlehen aufnehmen, wobei der Darlehensgeber monatlich 25 € von der der Schuldnerin gewährten Lebensunterhaltshilfe einbehielt. Die Schuldnerin beantragte Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO für einen der Mietkaution entsprechenden Teilbetrag des Auseinandersetzungsguthabens.
Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab. Auf die sofortige Beschwerde hob das Landgericht den Insolvenzbeschlag des Anspruchs auf Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens in Höhe der Mietkaution auf. Die zugelassene Rechtsbeschwerde des Treuhänders zum BGH war erfolgreich und führte zur Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses.
Das Landgericht meinte, der Massebeschlag des Guthabens sei in Höhe der Mietkaution nicht mit den guten Sitten zu vereinbaren, weil er dem Nachrang der Sozialhilfe widerspreche. Könne der Schuldner eine anderweitige Mietsicherheit nur von der Sozialhilfe oder durch Verzicht auf den sozialhilferechtlich notwendigen Lebensunterhalt aufbringen, dürfe das Guthaben nicht in vollständig zur Masse gezogen werden.
Dem widersprach der IX. Senat mit folgenden Erwägungen: § 765a ZPO sei nicht einschlägig. Diese Vorschrift sei als Ausnahmevorschrift eng auszulegen; nur wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers unter Berücksichtigung der beiderseitigen Belange zu einem untragbaren Ergebnis führen würde sei die Vorschrift anzuwenden. Alleine die Notwendigkeit, zur Sicherung des Lebensunterhaltes Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu müssen, begründe keine sittenwidrige Härte im Sinne von § 765a ZPO. „Auf Sozialhilfe besteht ein gesetzlicher Anspruch (vgl. § 17 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die Antragstellung ist daher für Schuldner keine besondere Zumutung; die Sozialhilfe ermöglicht dem Bezieher ein menschenwürdiges Dasein. Der Umstand, dass ein Schuldner infolge der Zwangs-vollstreckung Sozialhilfe beantragen muss, reicht deshalb für die Anwendbarkeit des § 765a ZPO nicht aus“ (Rz. 9 der Entscheidung).
BGH vom 02.12.2010, Az. IX ZB 120/10
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