(ip/RVR) Der VII. Senat des BGH entschied letztens bzgl. der Wirksamkeit einer Vorpfändung von Steuererstattungsansprüchen im Hinblick auf die Vorschrift des § 46 Abs. 6 AO.

Die Gläubigerin betreibt aus einer vollstreckbaren notariellen Urkunde die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner wegen eines Teilbetrags von 500.000 € nebst Zinsen und Kosten. Zum Zwecke der Vorpfändung verfasste sie ein Schreiben an den Drittschuldner, ein Finanzamt, mit dem sie ein vorläufiges Zahlungsverbot erteilt; sie datierte dieses Schreiben auf den 02. Januar vor und übergab es am 27. Dezember 2006 dem Gerichtsvollzieher. Der Gerichtsvollzieher stellte das Zahlungsverbot am 02. Januar dem Finanzamt zu. Ebenfalls am 02. Januar, jedoch nach Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots, zeigte der Schuldner dem Drittschuldner an, dass er seinen Erstattungsanspruch an eine Frau X. abgetreten habe. Die Gläubigerin erwirkte alsbald einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, mit dem die angeblichen Ansprüche des Schuldners gegen das Finanzamt auf Erstattung der im vorläufigen Zahlungsverbot aufgeführten Steuern gepfändet und der Gläubigerin zur Einziehung überwiesen wurden. Der Schuldner macht die Unwirksamkeit der Vorpfändung geltend – ohne Erfolg. In Einklang mit dem Beschwerdegericht entschied der VII. Senat, dass die Vorpfändung wirksam ist; sie ist nicht in entsprechender Anwendung des § 46 Abs. 6 AO nichtig.

Nach § 46 Abs. 6 AO darf ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss nicht erlassen werden, bevor der zu pfändende Steuererstattungsanspruch entstanden ist. Ein entgegen diesem Verbot erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist nichtig (§ 46 Abs. 6 Satz 2 AO). Entstanden und pfändbar ist der Erstattungsanspruch aus einem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft, § 38 AO. Die Einkommenssteuer ist eine Jahressteuer; Veranlagungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 25 Abs. 1 EStG). Gleiches gilt für die Kirchensteuer und auch für die Vermögenssteuer, § 20 Vermögenssteuergesetz. Die entsprechenden Steuererstattungsansprüche entstehen also mit Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums. Der Anspruch des Schuldners auf Lohnsteuerjahresausgleich 2006 ist also mit Ablauf des Jahres 2006 entstanden.

Die Vorpfändung wirkt wie eine Beschlagnahme der betroffenen Forderung und begründet den Rang des Pfändungspfandrechts, das durch eine Pfändung innerhalb eines Monats seit Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots entsteht (§ 845 Abs. 2 i.V.m. §§ 804, 930 Abs. 1 ZPO); deshalb ist § 46 Abs. 6 AO auf Vorpfändungen von Steuererstattungsansprüchen entsprechend anwendbar. Entscheidend ist hier also, ob die Vorpfändung im Sinne des § 46 Abs. 6 AO erst im Jahre 2007 – nach Entstehung des Erstattungsanspruchs - "erlassen" worden ist, oder aber noch im Jahre 2006 – vor Entstehung des Erstattungsanspruchs – und dann in entsprechender Anwendung des § 46 Abs. 6 AO nichtig wäre.

Ein gerichtlicher Pfändungsbeschluss ist in dem Zeitpunkt erlassen, zu dem der unterschriebene Beschluss aus dem internen Geschäftsgang des Gerichts herausgelangt ist, das Gericht sich also des Beschlusses entäußert hat. Gleiches gilt bei behördlichen Pfändungsverfügungen. Mit solchen hoheitlichen Maßnahmen ist die Übergabe des Vorpfändungsschreibens durch den Gläubiger an den Gerichtsvollzieher nicht vergleichbar. Denn der Vorpfändung wird ihre Wirkung erst mit Zustellung durch den Gerichtsvollzieher verliehen. Anders als ein gerichtlicher Pfändungsbeschluss oder eine behördlichen Pfändungsverfügung entfaltet sie ihre hoheitliche Wirkung erst dann, wenn sie dem Drittschuldner zugestellt ist. Erst in diesem Moment tritt die Wirkung der Beschlagnahme ein. Deshalb ist bei der entsprechenden Anwendung des § 46 Abs. 6 AO auf ebendiesen Zeitpunkt abzustellen.

Die Vorpfändung eines Steuererstattungsanspruchs ist deshalb mit der vom Gerichtsvollzieher bewirkten Zustellung des die Vorpfändung enthaltenden Schreibens im Sinne des § 46 Abs. 6 AO "erlassen"; auf den Zeitpunkt, zu dem das Schreiben dem Gerichtsvollzieher übergeben worden ist, kommt es nicht an. Demnach steht die Regelung des § 46 Abs. 6 AO der Wirksamkeit der Vorpfändung hier nicht entgegen.

BGH vom 10.11.2011, Az. VII ZB 55/10


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