(ip/RVR) Der BGH hat in einem Urteil vom 11. März 2010 erneut entschieden, dass im Falle der freihändigen Verwertung eines Erbbaurechts der Grundstückseigentümer wegen dinglicher Erbbauzinsen und Grundsteuern kein Absonderungsrecht an dem Erlös erwirbt, wenn die Belastungen nach der Veräußerung fortbestehen.

Diesen Anspruch hatte die Stadt als Erbbaurechtsausgeberin und Gläubigerin der Grundsteuern gegen den Insolvenzverwalter, der das Erbbaurecht im Jahre 2004 veräußert hatte, geltend gemacht.

Das Berufungsgericht hatte versucht, die Forderungsrückstände der Stadt unter Infragestellung der Entscheidung des BGH vom 05. November 1976 (V ZR 5/75, BGHZ 47, 181, 183) zuzuerkennen.

Da die Grundstückslasten gemäß § 56 Satz 2 ZVG mit dem Zuschlag auf den Erwerber übergingen, stehe dem Gläubiger für die bis dahin entstandenen Lasten im Umkehrschluss ein Befriedigungsrecht an dem Versteigerungserlös zu. Ansonsten müsse der Absonderungsberechtigte, der bei einer Verwertung im Wege der Zwangsversteigerung vorrangig zu befriedigen sei, alles daran setzen, dass es anstelle eines regelmäßig günstigeren freihändigen Verkaufs zu einer Zwangsversteigerung komme. Im Übrigen verschlechterten sich die Chancen eines freihändigen Verkaufs, wenn der Erwerber fürchten müsse, dass der Grundstückseigentümer ihn wegen rückständiger Ansprüche dinglich in Haftung nehme. Im Streitfall hätten Grundpfandrechtsgläubiger im Zuge der Veräußerung eine Löschungsbewilligung erteilt, so dass sich ihr untergegangenes dingliches Recht an dem Veräußerungserlös fortsetze. Es sei jedoch unangemessen, diese Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, während die vorrangig zu befriedigende Beklagte leer ausgehe. Bezüglich der Erbbauzinsen für das Jahr 2004 bestehe kein Absonderungsrecht, weil die Verbindlichkeit nach Maßgabe des Veräußerungsvertrags auf den Erwerber übergegangen sei. Entsprechendes gelte für Ansprüche auf die Grundsteuer B für das Jahr 2004.

Weitere entscheidende Einzelheiten sind dem Tatbestand nicht zu entnehmen. Es ist jedoch naheliegend, dass bereits im Vorfeld einiges nicht wie normalerweise üblich gehandhabt wurde. Das Berufungsgericht schien das korrigieren zu wollen.

Im Verkaufsfalle wird der Notar rückständige Erbbauzinsen und Grundsteuern bei der Stadt abfragen, um sie aus dem Verkaufserlös decken zu können. Unterläßt er dies, läuft der Käufer Gefahr, hieraus in Zukunft in Anspruch genommen zu werden.

Auch der BGH bestätigt dies im weiteren Verlauf des Urteils, denn der Erbbauzins kann danach gegen den Erwerber auf dinglicher Grundlage durch Zwangsvollstreckung in das Erbbaurecht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbbauRG in Verbindung mit §§ 1107, 1147 BGB weiter geltend gemacht werden. Auch die nicht im Grundbuch eingetragenen öffentlichen Lasten wirken gegenüber einem Erwerber des Grundstücks fort, weil insoweit ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb ausscheidet.

Würde der Notar diese Abfrage unterlassen, könnte die Stadt ohne weiteres den Käufer wegen dieser Ansprüche heranziehen und im Falle der Nichtzahlung ein Zwangsversteigerungsverfahren einleiten und die laufenden Beträge und zwei Jahre Rückstände, im Falle der Grundsteuern sogar vier Jahre Rückstande geltend machen, § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG.

Ein Absonderungsrecht an dem Erlös entsteht gem. BGH freilich nur, wenn die freihändige Veräußerung zum Untergang des dinglichen Rechts führt. Es muss also das Absonderungsrecht im Zuge der Veräußerung erloschen sein, was hier gerade nicht der Fall war.

Der weiteren rechtlichen Würdigung des Berufungsgerichts, das bei einer Zwangsversteigerung an dem Veräußerungserlös bestehende Befriedigungsrecht der nach § 10 ZVG bevorrechtigten Gläubiger sei auch bei einem mit dem Fortbestand der dinglichen Rechte verbundenen freihändigen Verkauf zu berücksichtigen, kann nach Auffassung des BGH nicht gefolgt werden.

Vielmehr muss zwischen einer Zwangsversteigerung, bei der dingliche Rechte erlöschen, und einer freihändigen, unter Fortgeltung dieser Rechte vorgenommenen Veräußerung unterschieden werden.

Bleiben die dinglichen Rechte erhalten, scheidet mangels eines Rechtsverlusts von vornherein eine dingliche Surrogation und mithin eine Beteiligung des Rechtslastberechtigten an dem Veräußerungserlös aus.

Da die fortbestehende dingliche Belastung kaufpreismindernd wirkt, würde auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts die dingliche Belastung doppelt zum Nachteil des Veräußerers zu Buche schlagen, weil an dem infolge der dinglichen Belastung ohnehin geringeren Erlös zusätzlich der Grundpfandrechtsgläubiger partizipieren würde. Zugleich würde er unangemessen begünstigt, wenn er an dem Veräußerungserlös beteiligt würde und er außerdem aus dem weiter bestehenden dinglichen Recht den Erwerber in Anspruch nehmen könnte. Ferner würde der Erwerber ohne rechtlich anerkennenswerten Grund in den Genuss eines geminderten Kaufpreises gelangen, obwohl er die durch den Preisnachlass abgegoltene dingliche Haftung infolge des Absonderungsrechts an dem Veräußerungserlös regelmäßig nicht mehr zu befürchten hätte.

Führt die fortbestehende dingliche Haftung zu einer entsprechenden Kaufpreisreduzierung, werden die Vermarktungschancen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts durch die dingliche Haftung nicht erschwert. Vielmehr fließen der Fortbestand oder die Beendigung der dinglichen Haftung in die Preisbemessung ein. Ebenso wirken sich Rückstände auf Erbbauzins oder auf öffentliche Lasten im hier gegebenen Fall der Veräußerung eines Erbbaurechts auf den Kaufpreis aus.

Der BGH greift zum Schluss noch einmal die Würdigung des Berufungsgerichts auf, wonach dinglichen Gläubigern ansonsten (also bei Anwendung der BGH-Rechtsprechung) im Interesse einer Durchsetzung ihres Rechts stets an einer Zwangsversteigerung gelegen sein müsse, und verwirft diese als bereits im Ansatz falsch. Hierbei wird jedoch nicht die wichtige Erkenntnis gefolgert, dass bei Einleitung der Zwangsversteigerung der Notar diese Ansprüche nicht unberücksichtigt lassen kann, da er ja auch die Aufhebung der Zwangsversteigerung bewirken muss. Zu dem vorliegenden Prozess wäre es dann wohl gar nicht gekommen.

BGH vom 11.03.2010, Az. IX ZR 34/09


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