Erstattungspflicht des Gesellschafters bei Gesellschaftsinsolvenz
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(ip/RVR) Nach dem Urteil des IX. Zivilsenats des BGH vom 01.12.2011 ist ein Gesellschafter zur Erstattung eines an einen Darlehensgläubiger ausgezahlten Betrags zur Insolvenzmasse verpflichtet, wenn er für das Darlehen der Gesellschaft eine Sicherheit gestellt hat, der Darlehensgläubiger aber nach Eröffnung des Verfahrens die Gesellschaftssicherheit in Anspruch nimmt. Dabei komme § 143 Abs. 3 InsO entsprechend zur Anwendung.
Nachdem das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft eröffnet wurde, nahm der Insolvenzverwalter den alleinigen Gesellschafter und Geschäftsführer der Schuldnerin auf Zahlung in Anspruch: Die Schuldnerin hatte ein Darlehen aufgenommen und dieses wurde durch Sicherungseigentum an deren Fahrzeugen gesichert. Gleichzeitig hatte der Beklagte hierfür Sicherheiten in Form von Grundschulden gestellt. Die Darlehensgläubigerin ließ nach Eröffnung des Verfahrens die Gesellschaftssicherheit verwerten; ihr wurde der Verwertungserlös ausgezahlt. Diesen Betrag verlangte der Kläger vom Beklagten, weil dessen persönlich gestellte Sicherheit in dieser Höhe frei geworden sei.
Das Landgericht gab der Klage statt, das OLG wies sie in der Berufung ab. Die Revision des Klägers zum BGH war erfolgreich.
Im Einklang mit dem Berufungsgericht stellte der BGH zunächst fest, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs nach §§ 135 Abs. 2, 143 Abs. 3 Satz 1 InsO nicht gegeben seien. Anfechtbar seien in Verbindung mit § 129 Abs. 1 InsO nur Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden. Die Befreiung des Gesellschafters durch die Auskehrung der erzielten Erlöse fand jedoch nach Eröffnung statt.
Das Gesetz regele nicht, wie in der Insolvenz einer Gesellschaft die Verwertung der von ihr gestellten Sicherheit gegenüber dem Gesellschafter wirkt, der eigene Sicherheiten gestellt hat. Diese Lücke sei entgegen dem Berufungsgericht auch planwidrig. Aus der Regelung der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 44a InsO gehe hervor, dass die Gesellschaftersicherheit im wirtschaftlichen Ergebnis vorrangig verwertet werden müsse. Eine Intention des Gesetzgebers hiervon für den Fall abzuweichen, in dem eine doppelte Sicherung nach Verfahrenseröffnung noch besteht und bewusst die Verwertung der Gesellschaftssicherheit bei gleichzeitigem Verbleib der Gesellschaftersicherheit beim Gesellschafter in Kauf zu nehmen, sei unwahrscheinlich.
Auch in der Literatur würden einhellig eine Regelungslücke angenommen und verschiedene Lösungswege angeboten. Der IX. Senat schließt die Regelungslücke über entsprechende Anwendung des § 143 Abs. 3 InsO. Auch nach dem MoMiG habe der Gläubiger ein Wahlrecht, ob er die Gesellschafter- oder Gesellschaftssicherheit in Anspruch nehmen will. Die Annahme eines Vorrangs der Gesellschaftersicherheit würde die Rechtsstellung des Absonderungsberechtigten über die bestehenden Regelungen (abgesonderte Befriedigung im Verfahren; Verwertung durch den Verwalter) hinaus verschlechtern. Durch den Nichtanwendungsbefehl des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG sei zwar ein gesellschaftsrechtlicher Ausgleich nach Rechtsprechungsregeln ausgeschlossen, er lasse jedoch keine Rückschlüsse auf das Anfechtungsrecht und dessen analoge Anwendung zu.
Gegen die Analogie bestünden keine durchgreifenden Bedenken. Normativ bestehe kein Unterschied zwischen der Rückzahlung eines gesellschaftergesicherten Darlehens innerhalb der Fristen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO und derjenigen nach Eröffnung des Verfahrens. Ein Verzicht auf die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen nach § 129 InsO stelle keinen Systembruch dar, ginge es doch um die analoge Anwendung und nicht die Auslegung anfechtungsrechtlicher Vorschriften. § 143 Abs. 3 InsO stelle ohnehin einen Sonderfall dar, weil sich der Anspruch nicht gegen den Empfänger der Leistung richte, sondern gegen den Gesellschafter, der nur mittelbar durch das Freiwerden der Sicherheit begünstigt würde. Schließlich zeige § 147 InsO, dass Anfechtungen von Rechtshandlungen nach Verfahrenseröffnung dem Gesetz nicht völlig fremd seien und § 129 InsO damit keine schlechthin unentbehrliche Voraussetzungen statuiere.
BGH vom 01.12.2011, Az. IX ZR 11/11
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