Entstehung durch Rechtshandlung des Schuldners
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(ip/RVR) Bei der Pfändung in eine eröffnete Kreditlinie entstehe ein Pfandrecht des Gläubigers erst mit Abruf der Kreditmittel als Rechtshandlung des Schuldners. Damit setzt der IX. Zivilsenat seine Rechtsprechung zur Pfändung von Kreditansprüchen fort.
Das beklagte Land erließ wegen Steuerschulden durch das Finanzamt eine Pfändungs- und Überweisungsverfügung, welche sich auf alle Ansprüche der späteren Insolvenzschuldnerin gegen ihre Bank aus Auszahlung, Gutschrift und Überweisung an sich und Dritte, auch aus Kreditmitteln aus bereits abgeschlossenen und künftigen Kreditverträgen erstreckte. Auf Veranlassung der Schuldnerin überwies die Bank daraufhin mehrere Beträge an das Finanzamt. Alle Zahlungen erfolgten aus einem eingeräumten und der Höhe nach eingehaltenen Kontokorrentkredit. Der Insolvenzverwalter verlangte vom Land die Rückzahlung dieser Beträge aus Insolvenzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO.
Das LG gab der Klage statt. Auf Berufung des beklagten Landes hob das OLG das Urteil mit der Begründung auf, es fehle an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Zwar liege mit der Überweisung durch die Schuldnerin eine anfechtbare Rechtshandlung vor. Das Land habe jedoch durch die einseitige Vollstreckungsmaßnahme zuvor im nicht kritischen Zeitraum ein Pfändungspfandrecht erworben, womit es an einer willensgesteuerten Rechtshandlung der Schuldnerin i. S. v. § 133 Abs. 1 InsO mangele.
Der BGH meinte hingegen, das Pfändungspfandrecht sei durch Rechtshandlung der Schuldnerin entstanden. Dabei konnte das Gericht an seine bisherige Rechtsprechung zur Pfändung von Kreditlinien anknüpfen (vgl. BGH ZIP 2008, 131). Damit sei auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung gegeben und die Überweisung nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.
Bei der Pfändung einer künftigen Forderung werde das Pfandrecht erst mit Entstehung der Forderung begründet. Anfechtungsrechtlich sei ebenfalls auf diesen Zeitpunkt abzustellen, § 140 Abs. 1 InsO. Ein Pfandrecht an Forderungen aus dem Kreditvertrag könne jedoch nicht vor Abruf der Kreditmittel durch den Schuldner selbst entstehen. Vor Abruf stehe dem Schuldner beim Dispositionskredit kein Anspruch auf Auszahlung der Valuta zu. Ohne Mitwirkung des Schuldners bestehe also kein Anspruch, den sich der Gläubiger auszahlen lassen könne. Ob der Anspruch entsteht, hinge allein von der persönlichen und unübertragbaren Entscheidung des Kreditnehmers ab.
Das Pfandrecht sei daher erst mit Abruf durch die Schuldnerin entstanden, mithin durch eine Rechtshandlung der Schuldnerin, die sie ohne weiteres hätte unterlassen können (kein Fall der Druckzahlung).
Fehl gehe die Annahme des Berufungsgerichts, die Gläubigerbenachteiligung scheitere an der freien Widerrufbarkeit der Überweisung. Zum einen sei die Überweisung nach alter Rechtslage (§ 676a Abs. 4 BGB a. F.) nicht frei widerruflich. Zum anderen sei für die Gläubigerbenachteiligung alleine auf den Zeitpunkt des Erfolgs des Abrufs abzustellen. Im Zeitpunkt der Überweisung sei die Gläubigerbenachteiligung eingetreten.
BGH vom 09.06.2011, Az. IX ZR 179/08
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