(ip/RVR) Der IX. Zivilsenat entschied im Februar 2010 über die Frage, ob der Insolvenzschuldner zur abgesonderten Befriedigung wegen rückständiger Grundsteuerforderungen nach § 49 InsO verpflichtet ist, wenn der Verwalter die haftenden Grundstücke im Wege freihändigen Verkaufs veräußert hat und verneinte dies.

Die Schuldnerin war Eigentümerin mehrerer Grundstücke in der klagenden Gemeinde und kam nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit anfallenden Grundsteuern in Verzug. Gegenüber dem bestellten Insolvenzverwalter, der die Grundstücke freihändig verkaufte, wurde Feststellungsklage dahingehend erhoben, dass die Gemeinde abgesonderte Befriedigung aus dem Veräußerungserlös verlangen könne, womit die Klägerin in beiden Vorinstanzen Erfolg hatte.

Der BGH hob die Urteile auf und wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht stellte sich auf den Standpunkt, das Absonderungsrecht der Gemeinde folge aus §§ 49, 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG in Verbindung mit § 12 GrStG, welcher eine öffentliche Last und damit die Entstehung eines Pfandrechts anordne. Im Falle der freihändigen Veräußerung setze sich das Pfandrecht am Veräußerungserlös fort, soweit der Käufer das Grundstück lastenfrei erwerbe. Letzteres sah der BGH anders.

Zunächst stellte das Gericht klar, dass die aus der Grundsteuer herrührende öffentliche Last und damit das Absonderungsrecht trotz des Verweises des § 49 InsO auf die Vorschriften der Zwangsversteigerung unabhängig davon entstünden, ob ein Zwangsversteigerungsverfahren eingeleitet werde. Das Absonderungsrecht entstünde sogleich mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Allerdings setze sich dieses Recht auf abgesonderte Befriedigung bei freihändigem Verkauf nicht im erzielten Erlös fort. Dies sei nach den eindeutigen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 92 Abs. 1 ZVG, bei der Verwertung des Grundstücks durch Zwangsversteigerung zwar der Fall. Neben diesem Vorgehen, was nach § 165 InsO den Normalfall der Verwertung darstellt, komme aber auch ein gesetzlich nicht geregelter freihändiger Verkauf in Betracht. Wie in einem solchen Fall die Absonderungsrechte nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 ZVG behandelt werden müssten, sei in Rechtsprechung und Literatur zwar umstritten. Darauf komme es aber vorliegend deshalb nicht an, weil es sich um eine öffentliche Last nach § 12 GrStG handle. Der IX. Senat verweist hier auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (E 77, 38), wonach eine öffentliche Last bei einer freihändigen Veräußerung nicht erlischt, sondern das Grundstück weiter haftet. Der BGH ergänzt in seinem Urteil hierzu: „Wenn das Grundstück nach der freihändigen Veräußerung weiterhin für die Steuerforderung haftet, das Absonderungsrecht also fortbesteht, kann es sich nicht im Wege der dinglichen Surrogation durch ein Pfandrecht am Veräußerungserlös fortsetzen“ (Rn. 11 der Entscheidung).

Eine den Vorschriften des ZVG vergleichbare Regelung, wonach eine solche dingliche Surrogation stattfinden solle, kenne die Insolvenzordnung nicht.

Es könne auch hier nichts anderes gelten, weil die Grundstücke „lastenfrei“ veräußert wurden. § 12 GrStG enthalte zwingendes Recht, weshalb die Haftung des Erwerbers nicht von den Vertragsparteien abbedungen werden könne.


BGH vom 18.02.2010, Az. IX ZR 101/09


Mit freundlicher Unterstützung von:

RVR Rechtsanwälte
Rechtsanwalt Dr. Volker Rabaa

Augustenstr. 124
70197 Stuttgart

Telefon: 0711-16664-0
Telefax: 0711-16664-44
Homepage: www.rvr.de