(ip/RVR) Der Schuldner ist während der insolvenzrechtlichen Wohlverhaltensperiode dazu verpflichtet, jeden Wechsel der Anschrift dem Insolvenzgericht und dem Treuhänder unverzüglich anzuzeigen und zwar auch dann, wenn er innerhalb der Wohnsitzgemeinde umzieht. Verlangt der Treuhänder Auskünfte vom Schuldner und unterbleiben diese, kann sich der Schuldner nicht darauf berufen, das Auskunftsverlangen sei ihm nicht zugegangen, wenn er dies durch Verletzung seiner Mitteilungspflichten bedingt hat. Beides entschied der Bundesgerichtshof in einem Beschluss vom 08.06.2010.

Während der Wohlverhaltensphase und auch schon zuvor wechselte die Insolvenzschuldnerin mehrfach den Wohnsitz ohne dies gemäß § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO anzuzeigen. Sowohl das Gericht als auch der Treuhänder konnten die Schuldnerin stets nur auf Nachfrage bei dem zuständigen Einwohnermeldeamt erreichen. Dies galt für den Aufhebungsbeschluss nebst Belehrung über die Aufklärungspflichten gemäß § 295 InsO und die Verfügung, mittels derer die Restschuldbefreiung angekündigt wurde. Ebenso wenig konnte der Treuhänder Kontakt zur Schuldnerin aufnehmen, weshalb auch eine Zustellung des Auskunftsverlangens hinsichtlich der Einkommenssituation nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO nicht möglich war. Auf Antrag von mehreren Gläubigern wurde der Schuldnerin sodann die Restschuldbefreiung nach § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO versagt. Nach Zustellung dieses Beschlusses, der wiederum nur auf Umwegen möglich war, erhob die Schuldnerin sofortige Beschwerde gegen die Versagung, welche vom Landgericht zurückgewiesen wurde.

Hiergegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg. Der IX. Zivilsenat hob die Entscheidungen auf und verwies sie zurück an das Insolvenzgericht.

Dies jedoch nicht deshalb, weil keine Obliegenheitsverletzung der Schuldnerin vorgelegen habe. Die Beschwerdeführerin rügte, einen Umzug habe sie jeweils nicht anzeigen müssen, weil dieser nur innerhalb der Gemeinde stattgefunden hätte und dadurch eine Änderung des Wohnsitzes nach § 7 BGB gar nicht erfolgt sei. Der BGH widersprach dem mit der Begründung, § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO meine mit Wohnsitz nicht den des § 7 BGB als kleinste politische Einheit, in welcher der Wohnsitz liegt, sondern die konkrete Anschrift, unter welcher sich der Schuldner tatsächlich aufhält und wo er per Post und persönlich erreichbar ist. Nur ein solches Verständnis des Begriffs des Wohnsitzes sichere den Zweck der Anzeigepflicht, das Verhalten des Schuldners ohne großen eigenen Untersuchungsaufwand überwachen und überprüfen zu können.

Die Entscheidungen waren deshalb aufzuheben, weil weder das Insolvenzgericht noch das Beschwerdegericht eine gemäß § 296 Abs. 1 Satz 1 InsO für die Versagung der Restschuldbefreiung zusätzlich erforderliche Beeinträchtigung der Befriedigungs-möglichkeiten der Gläubiger feststellten. Eine Glaubhaftmachung von Seiten der Gläubiger hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit einer konkret messbaren Schlechterstellung aufgrund der Obliegenheitsverletzung fehlte.

Ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass bei der Zurückverweisung die bisher übergangene Verletzung der Obliegenheit der Auskunftserteilung auf Verlangen des Treuhänders nach § 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO nunmehr zu prüfen sei. Die Tatsache, dass die Schuldnerin dieses Verlangen nie erreicht hat, sei in Anbetracht der durch die Schuldnerin selbst veranlassten Vereitelung des Zugangs unbeachtlich. Eine Glaubhaftmachung der Befriedigungsbeeinträchtigung der Gläubiger durch diesen zweiten Obliegenheitsverstoß sei deswegen entbehrlich, weil eine Beeinträchtigung schon durch den Umstand anzunehmen sei, dass die Schuldnerin den Zugang des Auskunftsverlangens vereitelt hat. Denn dies lasse hinreichend darauf schließen, dass den Gläubigern pfändbare Einkünfte vorenthalten werden sollen.

BGH vom 08.06.2010, Az. IX ZB 153/09


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