Anfechtungsrechtliche Vermutungen bei güterrechtlichen Verträgen
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(ip/RVR) Beruht der Anfechtungsanspruch auf einem güterrechtlichen Vertrag mit einer nahestehenden Person, so wird im Rahmen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 2 Satz 1 InsO der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners und die Kenntnis des anderen Teils hiervon ebenfalls widerleglich vermutet. So entschied der Bundesgerichtshof am 1. Juli 2010.
Die Insolvenzverwalterin machte gegen die Beklagte Rückgewähransprüche wegen Insolvenzanfechtung geltend. Der Gemeinschuldner war mit der Beklagten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet. Nach einverständlicher Scheidung und Vereinbarung der Gütertrennung nahmen beide einen vorgezogenen Zugewinnausgleich vor. Aufgrund dieses güterrechtlichen Vertrages nahm der spätere Schuldner verschiedene Verfügungen zugunsten der Beklagten vor, weitere Verfügungen stehen noch aus. Die Klägerin hatte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners den auf insgesamt 1,7 Mio. € bezifferten Zugewinnausgleich angefochten und verlangte Rückgewähr zur Masse bzw. die Feststellung, dass den ausstehenden Ansprüchen die Einrede der Anfechtbarkeit entgegenstehe.
In erster Instanz unterlag die Klägerin mit diesem Begehren, ihre Berufung hingegen war erfolgreich. In der Revision verlangte die Beklagte Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, blieb damit aber erfolglos.
Unstreitig blieb auch in der Revision, dass es sich bei der güterrechtlichen Vereinbarung um einen entgeltlichen Vertrag handle, der mit der Beklagten als nahestehender Person nach § 138 Abs. 1 Nr. 1 InsO innerhalb des geschützten Zwei-Jahres-Zeitraums des § 133 Abs. 2 Satz 2 InsO geschlossen wurde. Dieser Vertrag wirke auch unmittelbar gläubiger-benachteiligend und unterliege insofern grundsätzlich der Anfechtung nach § 133 Abs. 2 InsO.
Die Revision rügte jedoch unter anderem eine fehlerhafte Anwendung der Beweislastregeln: Die gesetzlichen Vermutungen des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Schuldners sowie die Kenntnis des Anfechtungsgegners hiervon seien nicht unbesehen auf güterrechtliche Vereinbarungen anwendbar. Aus dem Grundrecht des Art. 6 GG sei das Recht der Eheleute abzuleiten, ihre güterrechtlichen Verhältnisse jederzeit ändern zu können, was eine Einschränkung der Anfechtung dergestalt rechtfertige, eine feststellbare Manifestierung des Vorsatzes und der Kenntnis hiervon zu verlangen.
Dies sah der erkennende IX. Zivilsenat anders. Mehr als die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 133 Abs. 2 Satz 1 InsO brauche der klagende Verwalter nicht vorzutragen. Dass kein Benachteiligungsvorsatz und keine Kenntnis des anderen Teils hiervon vorliege, unterliege der Behauptungs- und Beweislast des Anfechtungsgegners. Der Wortlaut des § 133 Abs. 2 InsO lasse keine Differenzierung zwischen schuld- und familienrechtlichen Verträgen zu, eine Privilegierung letzterer widerspreche zudem insolvenzrechtlichen Grundsätzen. Die Auslegung der Anfechtungsvorschriften sei vielmehr an spezifisch insolvenzrechtlichen Grundsätzen auszurichten, was daraus resultiere, dass die Ordnungsvorstellungen des Insolvenzrechts diejenigen des Vertragsrechts verdrängten. Deshalb scheide auch eine Änderung der Darlegungs- und Beweislast aus.
Auch der verfassungsrechtliche Schutz des Art. 6 GG ändere daran nichts, denn dieser sei durch die Entscheidung gar nicht verletzt: „Angefochten und im Interesse der Gläubigergesamtheit nach § 143 Abs. 1 InsO rückgängig zu machen ist nicht die Rechtshandlung selbst, sondern nur die gläubigerbenachteiligende Wirkung, die durch die Rechtshandlung verursacht worden ist. [...] Die güterrechtliche Vereinbarung der Eheleute wird deshalb von der Anfechtung nicht erfasst. Die durch die Anfechtung ausgelösten Rückgewähransprüche aus § 143 Abs. 1 InsO beschränken sich auf die gläubiger-benachteiligenden Rechtswirkungen der einzelnen Übertragungsvorgänge.“ (Rz. 14 der Entscheidung). Die Rückgewähransprüche dienten ihrerseits dem verfassungsrechtlich legitimen Ziel des Gemeinwohls (vgl. § 1 Satz 1 InsO), was insoweit eine Einschränkung der Vertragsfreiheit rechtfertige.
BGH vom 01.07.2010, Az. IX ZR 58/09
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