(ip/pp) In einem aktuellen Verfahren vor dem Bundesgerichtshof ging es erneut um das Thema “Suizidgefahr bei Vollstreckung”. Das Amtsgericht hatte im Verfahren das Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Schuldners eröffnet, der Eigentümer eines Grundstücks mit Einfamilienhaus war, das er gemeinsam mit seiner Ehefrau bewohnte. Der Insolvenzverwalter hatte diesbezüglich mitgeteilt, dass das Verfahren masseunzulänglich sei und Tabellengläubiger nach dem derzeitigen Stand des Verfahrens nicht mit einer Quote rechnen könnten. Der Abschluss des Verfahrens hänge im Wesentlichen von der Verwertung des Immobilienvermögens ab. So forderte der Insolvenzverwalter den Schuldner auf, monatlich eine Miete von 600,- Euro an die Masse zu zahlen und andernfalls das Grundstück zu räumen. Da die Eheleute weder zahlten noch das Grundstück räumten, strebte der Verwalter die Verwertung des unbewohnten Grundstücks an, da Verkaufschancen nur dann bestünden, wenn das Objekt unbewohnt sei. Er beabsichtigte die Zwangsräumung gegen die Eheleute. Der Schuldner beantragte darauf Vollstreckungsschutz, da er durch diese Maßnahme stark suizidgefährdet sei. Das Amtsgericht hatte darauf zwar die Zwangsvollstreckung bis zur endgültigen Entscheidung einstweilen eingestellt, jedoch den Vollstreckungsschutzantrag zurückgewiesen.

Das verneinte der BG: “Insbesondere das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verpflichtet die Vollstreckungsgerichte, bei der Prüfung eines möglichen Vollstreckungsschutzes die dem Schuldner in einer Zwangsvollstreckung zu gewährenden Grundrechte zu berücksichtigen. Ergibt die Abwägung, dass die der Zwangsvollstreckung entgegenstehenden, unmittelbar der Erhaltung von Leben und Gesundheit dienenden Interessen des Schuldners im konkreten Fall schwerer wiegen als die Belange, deren Wahrung die Vollstreckungsmaßnahme dienen soll, so kann der trotzdem erfolgende Eingriff das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und das Grundrecht des Schuldners aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzen”.

Der Leitsatz fasst zusammen: “Im eröffneten Insolvenzverfahren kann dem Schuldner, der eine natürliche Person ist, bei Vollstreckungsmaßnahmen des Insolvenzverwalters nach § 148 Abs. 2 InsO auf Antrag Vollstreckungsschutz nach § 765a ZPO gewährt werden, jedenfalls soweit dies zur Erhaltung von Leben und Gesundheit des Schuldners erforderlich ist.”

BGH, Az.: IX ZB 77/08