(ip/RVR) Wird ein Zwangsverwaltungsverfahren nicht wegen Antragsrücknahme (§§ 161 Abs. 4, 29 ZVG) oder der vollständigen Befriedigung des Gläubigers (§ 161 Abs. 2 ZVG) aufgehoben, sondern weil das Grundstück in der Zwangsversteigerung zugeschlagen wurde, ist der Zwangsverwalter auch ohne entsprechende Ermächtigung im Aufhebungsbeschluss befugt, wegen Nutzungen aus der Zeit vor der Zuschlagserteilung Klage zu erheben, sofern der die Zwangsverwaltung betreibende Gläubiger im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Zuschlagsbeschlusses noch nicht vollständig befriedigt ist. Dies ist der Leitsatz eines kürzlich ergangenen BGH-Urteils.

Bei seiner Begründung schickte der BGH die Darstellung voraus, dass es in Rechtsprechung und Literatur umstritten sei, ob und in welchem Umfang die Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters im Falle der Aufhebung der Zwangsverwaltung fortdauert und auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Frage bislang nur in Teilbereichen geklärt. Für den Fall der Antragsrücknahme durch den Vollstreckungsgläubiger wurde bereits entschieden, dass der Zwangsverwalter ohne eine entsprechende Ermächtigung im Aufhebungsbeschluss von ihm eingeleitete Zahlungsprozesse wegen beschlagnahmter Ansprüche nicht mehr fortführen könne.

Nach der Rechtsprechung des Senats kann der Zwangsverwalter nach der Aufhebung der Zwangsverwaltung infolge eines Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren ein bereits zu diesem Zeitpunkt anhängiges Verfahren fortführen.

Über die im Streitfall entscheidungserhebliche Frage, ob ein Zwangsverwalter nach Aufhebung der Zwangsverwaltung wegen der Zwangsversteigerung des Grundstücks neue Rechtsstreitigkeiten für in seiner Amtszeit entstandene Mietrückstände anhängig machen kann, hatte der Bundesgerichtshof bisher noch nicht entschieden.

Fraglich ist jedoch, so der BGH weiter, ob mit der Wirksamkeit des Aufhebungsbeschlusses auch die Prozessführungsbefugnis des Zwangsverwalters erlischt, wobei mittlerweile klar ist, dass das Vollstreckungsgericht das Zwangsverwaltungsverfahren formell durch einen Aufhebungsbeschluss beenden muss, obwohl dieses spätestens mit Wirksamwerden des Zuschlagsbeschlusses beendet ist.

Der BGH hat sich in seinem Urteil von folgenden Überlegungen leiten lassen: Gemäß § 56 S. 2 ZVG kann der Ersteher die Nutzungen aus dem Grundstück nur ab dem Tag der Erteilung des Zuschlags verlangen. Für die Zeit davor dauern die Wirkungen der Beschlagnahme an und werden durch die Aufhebung der Zwangsverwaltung nicht berührt. Diese Nutzungen bleiben daher Teil der Zwangsverwaltungsmasse, die nach Auffassung des BGH zur Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers zur Verfügung steht. Daher habe der Zwangsverwalter die Pflicht, sämtliche Ansprüche, auf welche sich die Beschlagnahme erstreckt, geltend zu machen, sodass er demzufolge selbst bisher nicht geltend gemachte Forderungen auch nach Aufhebung der Zwangsverwaltung einziehen und die Überschüsse nach Maßgabe des Teilungsplanes auskehren kann, soweit sie bisher nicht geltend gemacht wurden. Außerdem sei der Zwangsverwalter verpflichtet, die Verwaltung der Zwangsverwaltungsmasse einschließlich der Nutzungen aus der Zeit vor der Wirksamkeit des Zuschlags ordnungsgemäß abzuwickeln. Dies könne nicht davon abhängen, ob der Zwangsverwalter insoweit bereits bei Erteilung des Zuschlags tätig geworden sei oder nicht. Seine Pflichten wären unvollständig ausgestattet, wenn ihm nicht die Möglichkeit zustünde, auch nach der formellen Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens Forderungen aus der Zeit vor dem Zuschlag gerichtlich beizutreiben. Diese stehen dem wirtschaftlichen Vollstreckungsgläubiger zu und es kann nicht entscheidend sein, zu welchem Zeitpunkt der Zwangsverwalter beschlagnahmte Forderung beitreibt.

Weiter stellt der BGH fest, dass eine Ablehnung dieser fortwirkenden Prozessführungsbefugnis die Frage erheben würde, wer diese Forderung gerichtlich geltend machen kann. Allen diesbezüglichen Vorschlägen erteilt der BGH eine Absage, insbesondere der häufigen Praxis, Forderungen aus der Zeit vor der Erteilung des Zuschlags an den Vollstreckungsgläubiger abzutreten und diesem die gerichtliche Geltendmachung zu überlassen. Dem sei entgegenzuhalten, so der BGH, dass diese Forderungen möglicherweise nicht ausschließlich dem Vollstreckungsgläubiger zustehen, sondern der Zwangsverwaltungsmasse, aus der im Einzelfall noch andere Ansprüche vorrangig zu befriedigen seien.

Obwohl das Zwangsversteigerungsgericht weiterhin die Möglichkeit hat, im Aufhebungsbeschluss ausdrücklich festzulegen, ob und in welchem Umfang der Zwangsverwalter in der Folgezeit noch tätig werden kann, sieht der BGH dies nicht als notwendige Voraussetzung für ein weiteres Tätigwerden des Zwangsverwalters an. Denn der Zwangsverwalter müsse auch unabhängig von einer Anordnung im Aufhebungsbeschluss befugt sein, Nutzungen aus der Zeit vor der Zuschlagserteilung gerichtlich geltend zu machen, da dies zu seinen gesetzlichen Aufgaben gehört.


Der komplette Urteilstext kann hier abgerufen werden:

BGH vom 11.08.2010, Az. XII ZR 181/ 08

 

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