(ip/RVR) In einem seiner aktuellen Beschlüsse befasste sich der Bundesgerichtshof (BGH) mit der Vorschrift des § 850f Zivilprozessordnung (ZPO), die Änderung des unpfändbaren Betrages regelt.

Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung aus dem vollstreckbaren Versäumnisurteil des Amtsgerichts N. vom 4. Januar 2008 wegen Hauptforderung, außergerichtlicher Schadenskosten, außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten und Zinsen hieraus, aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts N. vom 27. Februar 2008 wegen festgesetzter Kosten des Hauptsacheverfahrens nebst Zinsen und wegen Kosten der Zwangsvollstreckung.

Im Versäumnisurteil wird festgestellt (Ziffer 2), dass der Beklagte die Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet.

Das Vollstreckungsgericht wies den Antrag des Gläubigers, den unpfändbaren Betrag gemäß § 850f Abs. 2 ZPO auf die jeweilige gesetzliche Größe gemäß §§ 20, 22 Sozialgesetzbuch II (SGB II) je Monat festzusetzen, ab. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers blieb erfolglos. Er verfolgt seinen Antrag mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde weiter.

Der BGH beschloss, dass die Ausführungen des Beschwerdegerichts rechtlicher Überprüfung nicht standhalten, so dass die Rechtsbeschwerde zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückweisung der Sache an das Beschwerdegericht führt.

Der BGH führte unter anderem aus, dass die Vorschrift des § 850f Abs. 2 ZPO den Zugriff des Gläubigers auf das Arbeitseinkommen des Schuldners erweitert, wenn er wegen eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung vollstreckt. Über die Herabsetzung des unpfändbaren Betrages entscheidet, so der BGH, das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers. Hierbei ist es an die Auffassung des Prozessgerichts gebunden. Um den Nachweis für die Vollstreckungsprivilegierung zu erbringen, hat der Gläubiger dem Vollstreckungsgericht einen Titel vorzulegen, aus dem sich der deliktische Schuldgrund und der von § 850f Abs. 2 ZPO vorausgesetzte Grad des Verschuldens ergeben.

Nach diesen Grundsätzen entschied der Senat, dass durch die Vorlage eines Vollstreckungsbescheides der Nachweis einer Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung für das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO durch den Gläubiger nicht geführt werden kann. Hiergegen bindet die Feststellung im Versäumnisurteil des Amtsgerichts N. vom 4. Januar 2008 (Ziffer 2), dass der Beklagte die Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung schuldet, das Vollstreckungsgericht.

Es ist jedoch in Rechtsprechung und Literatur umstritten, ob auch die Zwangsvollstreckung wegen der durch den Kostenfestsetzungsbeschluss titulierten Prozesskosten nebst Zinsen und wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung der Privilegierung des § 850f Abs. 2 ZPO unterfällt.

Nach einer Auffassung findet das Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO wegen der engen materiell-rechtlichen Verbindung Anwendung auf die Vollstreckung wegen des Zinsanspruchs, der Prozesskosten oder der Vollstreckungskosten. „Es handele sich um adäquate Folgen der unerlaubten Handlung.“

Eine andere Auffassung geht demgegenüber auf der Grundlage einer am Wortlaut orientierten engen Auslegung davon aus, dass Verzugszinsen und Prozesskosten aus einem anderen Rechtsgrund als aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung geschuldet werden und deshalb nicht § 850f Abs. 2 ZPO unterfallen.

Der Senat schließt sich der erstgenannten Meinung an, denn der Gesetzgeber wollte dem Gläubiger eines Anspruchs aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung eine Vorzugsstellung bei der Zwangsvollstreckung in das Arbeitseinkommen des Schuldners einräumen. § 850f Abs. 2 ZPO will dem Gläubiger, so der BGH, die Kompensation erleichtern. „Die Pflicht des Schuldners, entstandenen Schaden wieder gut zu machen, besteht nicht nur hinsichtlich des Schadensersatzanspruches selbst, sondern auch bezüglich der Folgeschäden wie Kostenerstattungsansprüche für die Durchsetzung und Verzugszinsen für verspätete Zahlung, die eng mit der schädigenden Handlung zusammenhängen.”

Schließlich stellte der BGH fest, dass es keinen Grund gibt, dem Schuldner durch einschränkende Auslegung des § 850f Abs. 2 ZPO einen Schutz angedeihen zu lassen, den er nicht verdient.

Somit ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.

Der Leitsatz fasst zusammen:
„ZPO § 850f Abs. 2
Sowohl die Zwangsvollstreckung wegen des Anspruchs auf Zahlung von Verzugszinsen als auch wegen der Ansprüche auf Erstattung von Prozesskosten und Kosten der Zwangsvollstreckung unterfällt dem Vollstreckungsprivileg des § 850f Abs. 2 ZPO, wenn diese Ansprüche Folgen der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung sind.”

BGH vom 10.03.2011, Az.: VII ZB 70/08


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