(ip/RVR) In seinem Urteil vom 16.12.2011 hatte sich der V. Zivilsenat des BGH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein die Zwangsversteigerung nicht betreibender Grundschuldgläubiger aus der Sicherungsabrede verpflichtet ist, die zur Tilgung der persönlichen Forderung nicht benötigten Zinsen, die bis zur Erteilung des Zuschlags aufgelaufen waren, zugunsten des Sicherungsgebers geltend zu machen: Verzichte der Grundschuldgläubiger auf die Geltendmachung der Zinsen, mache er sich nicht nach § 280 Abs. 1 BGB schadensersatzpflichtig.

Die beklagte Bank schloss mit dem Schuldner ein Darlehensvertrag und ließ sich zur Sicherung eine erstrangige Grundschuld bestellen. Nach den Darlehensbedingungen war die Beklagte nicht verpflichtet, einen Grundschuldbetrag geltend zu machen, der über ihre persönliche Forderung hinausging. Nach der Kündigung des Darlehens beantragte ein zweitrangiger Grundschuldgläubiger die Zwangsversteigerung des Grundstücks. In diesem Verfahren verzichtete die Beklagte gegenüber dem Gericht auf die Geltendmachung der dinglichen Zinsen. Der Meistbietende erhielt unter Beibehaltung der erstrangigen Grundschuld den Zuschlag. Der Ersteher vereinbarte mit der Beklagten die Zahlung einer Geldsumme gegen Löschung der Grundschuld. Der Treuhänder des mittlerweile insolventen Schuldners machte Schadensersatz gegen die Beklagte wegen ihres Verzichts auf die Geltendmachung der Grundschuldzinsen geltend. Der Klage gab das LG nur zum Teil statt. Die Berufung hiergegen blieb erfolglos; das OLG ließ die Revision zu.

Nach Ansicht des V. Senats hat die Beklagte mit ihrem Verzicht nicht gegen den der Grundschuldbestellung zugrundeliegenden Sicherungsvertrag verstoßen. Ob der Gläubiger bereits in dem Zwangsversteigerungsverfahren auf die Geltendmachung von rückständigen oder laufenden Zinsen verzichten kann, habe der Senat bislang offen gelassen. Nach einer Meinung soll der Grundschuldgläubiger aufgrund der Sicherungsabrede verpflichtet sein, die Grundschuld im Verwertungsfall vollständig zu realisieren und einen etwaigen Übererlös an den Sicherungsgeber auszukehren. Nach anderer Ansicht müsse der Gläubiger zwar das Grundschuldkapital vollständig anmelden, nicht jedoch rückständige oder laufende Zinsen, weil diese der Eigentümer nach § 1197 Abs. 2 BGB nicht beanspruchen könne. Nach einer dritten Meinung sei der Gläubiger generell nicht verpflichtet, die Grundschuld in einem weiteren Umfang geltend zu machen, als er sie zur Tilgung der persönlichen Forderung benötigt.

Bei Vollstreckung eines nachrangigen Gläubigers sei der zweiten Ansicht zu folgen. Dies ergebe sich aber nicht aus § 1197 Abs. 2 BGB, weil nicht um Zinsen eines Zeitraums gestritten würde, in dem die Grundschuld dem Schuldner als Eigentümerrecht zugestanden hätte. Die unterbliebene Geltendmachung der Zinsen beträfe durchaus die Belange des Sicherungsgebers nachteilig, wenn die Grundschuld gem. § 52 Abs. 1 Satz 1 ZVG bestehen bliebe, nämlich das Erlöschen der bis zum Zuschlag aufgelaufenen Zinsen nach § 56 Satz 2 ZVG. Eine Verletzung des Sicherungsvertrags folge daraus gleichwohl nicht. Maßgeblich sei § 1178 Abs. 1 Satz 1 BGB. Aus der Vorschrift ergebe sich, die Zinsen seien nicht von der Pflicht zur Rückgewähr der Grundschuld für den Fall, dass der mit ihr verfolgte Zweck endgültig wegfällt, erfasst. „Der Gläubiger ist deshalb nicht verpflichtet, die nicht valutierten Grundschuldzinsen zugunsten des Sicherungsgebers geltend zu machen, weil die ihm bei der Ausübung seines dinglichen Rechts gegenüber dem Sicherungsgeber zu beachtenden Treuepflichten nicht weiter reichen als die durch den Sicherungsvertrag vorrangig begründete Rückgewährpflicht“ (Rn. 16 der Entscheidung). Dies gelte auch für den Fall, in dem der Gläubiger bereits im Verfahren von der Geltendmachung der zur Tilgung der persönlichen Schuld nicht benötigten Zinsen absieht, denn der Anteil am Versteigerungserlös, der auf diese Zinsen entfalle, sei lediglich Surrogat des Rückgewähranspruchs.

Das Original-Urteil kann hier abgerufen werden:

BGH vom 16.12.2011, Az. V ZR 52/11


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