(ip/pp) Hinsichtlich Inhaltskontrolle des Ehevertrags zugunsten des zahlenden Gatten hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Fall zu entscheiden. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit einer Leibrentenverpflichtung, die der Kläger zugunsten der Beklagten durch Ehevertrag eingegangen ist. Der 1962 geborene Kläger, der türkischer Staatsangehöriger ist, und die 1953 geborene Beklagte heirateten 1997. Die Ehe blieb kinderlos. 1999 schlossen die Parteien unter Hinzuziehung eines für die türkische Sprache vereidigten Dolmetschers einen Ehevertrag, durch den auch Vereinbarungen über die Gestaltung des ehelichen Zusammenlebens getroffen wurden. So enthält er einen wechselseitigen Unterhaltsverzicht für den Fall der Scheidung und die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Leibrente an die Beklagte. U.a. sieht er folgende Regelung vor:

"Im Hinblick auf den Altersunterschied zwischen den Eheleuten regeln die Eheleute einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau durch eine Leibrente. Für den Fall der Ehescheidung verzichten die Eheleute gegenseitig völlig auf jeden gesetzlichen Unterhalt und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an. Als Abfindung für ihren Verzicht erhält die Ehefrau die folgende Leibrente. Für diese Leibrente wird die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Die Leibrente ist monatlich am 15. eines jeden Monats zu entrichten und beläuft sich auf monatlich 1.300 DM. Diese Leibrente erlischt mit dem Tode der Ehefrau. Sie erlischt weiter mit Beginn des ersten Monats, an dem die Ehefrau Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Ferner ruht der Anspruch auf Leibrente, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezieht.

Verändert sich der Preisindex aller privaten Haushalte für ganz Deutschland, festgestellt vom statistischen Bundesamt, Basis 1991 = 100, gegenüber den im Monat dieses Vertragsabschluss gültigen Index, so erhöht oder ermäßigt sich der Rentenbetrag entsprechend. Eine Anpassung findet jedoch nur statt, wenn sich eine Veränderung dieses Index von mehr als 10 % eingestellt hat, wobei jeweils von der letzten Anpassung zu Grunde liegenden Indexzahl auszugehen ist. Die Rente erhöht oder ermäßigt sich ab dem der Anpassung folgenden Monatsfünfzehnten. Rückwirkende Anpassung kann nicht verlangt werden. Weiter gehende Anpassungen finden nicht statt. Insbesondere wird die Änderungsklage nach § 323 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.

Der Ehemann unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung obiger wertgesicherter Rente der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen. Die Ehefrau verpflichtet sich jedoch ihrerseits, im Falle einer Ehescheidung sich nach Kräften um eine Vollerwerbstätigkeit als Bürokauffrau oder um eine vergleichbare Tätigkeit zu bemühen."

Die Ehe wurde 2002 rechtskräftig geschieden. Während der Ehe war der Kläger - abgesehen von einer kurzen Zeit der Arbeitslosigkeit Anfang des Jahres 2000 - durchgehend erwerbstätig, während die Beklagte bis August 2000 arbeitslos war und Arbeitslosengeld bezog. Seit September 2000 ist sie im Umfang von 20 Stunden pro Woche als Buchhalterin tätig.

Der Kläger hat die Feststellung begehrt, dass der Beklagten aus der notariellen Urkunde keine Leibrenten- oder Unterhaltsansprüche zustehen, sondern die Regelung insoweit nichtig ist.

Der BGH entschied in seinem Sinn: Vorliegend führe bereits eine Wirksamkeitskontrolle zur Nichtigkeit der in Rede stehenden Vereinbarung, da schon im Zeitpunkt ihres Zustandekommens offenkundig gewesen sei, dass hierdurch eine einseitige, nicht gerechtfertigte Lastenverteilung für den Scheidungsfall bewirkt werde.

„1. Eine Inhaltskontrolle von Eheverträgen kann nicht nur zugunsten des Unterhalt begehrenden Ehegatten veranlasst sein, sondern im Grundsatz auch zugunsten des auf Unterhalt in Anspruch genommenen Ehegatten.

2. Für die Beurteilung, ob die subjektiven Elemente der Sittenwidrigkeit eines Ehevertrages vorliegen, kann jedenfalls dann nicht auf konkrete Feststellungen hierzu verzichtet werden, wenn ein Ehegatte dem anderen Leistungen verspricht, für die es keine gesetzliche Grundlage gibt. In solchen Fällen scheidet eine tatsächliche Vermutung für eine Störung der Vertragsparität aus.

3. Eine Unterhaltsvereinbarung kann sittenwidrig sein, wenn die Ehegatten damit auf der Ehe beruhende Familienlasten zum Nachteil des Sozialleistungsträgers regeln. Das kann auch dann der Fall sein, wenn durch die Unterhaltsabrede bewirkt wird, dass der über den gesetzlichen Unterhalt hinaus zahlungspflichtige Ehegatte finanziell nicht mehr in der Lage ist, seine eigene Existenz zu sichern und deshalb ergänzender Sozialleistungen bedarf.“

BGH, Az.: XII ZR 157/06